****** Ähnlich wie viele Supergruppen der frühen 70er Jahren ließen sich auch The Who für die Produktion neuer Alben viel, sehr viel Zeit. Zwischen den einzelnen Veröffentlichungen lagen so meist 2 Jahre und ein paar Tourneen. So hatten die einzelnen Mitglieder genügend Zeit, auch einmal Soloprojekte zu realisieren. Den Anfang machte 1971 Bassist John Entwistle mit Smash Your Head Against The Wall. Ein Jahr später folgte Pete Townshend seinem Bandkumpel mit dem bemerkenswerten Werk Who Came First. Diese Alben boten zwar tolle Rockmusik und wurden von den internationalen Musikkritikern entsprechend gefeiert, aber große Erfolge konnte sie damit nicht erzielen. Kurz vor den Aufnahmen zu Quadrophenia warf Sänger Roger Daltrey sein Debüt auf den Markt. Abseits des bekannten Who-Sounds bot er eine unglaubliche Mischung aus mitreißendem Poprock und eleganten Balladen. 9 der 11 Titel stammen aus der Feder des bis dahin völlig unbekannten Autorenteams Leo Sayer und David Courtney, die restlichen beiden Titel von Adam Faith, gleichzeitig der Produzent von Rogers Debüt, und David Courtney. Musikalisch unterstützt wurde er von Argent Leuten Russ Ballard (Gitarre) und Bob Henrit (Schlagzeug), sowie dem Ex East-Of-Eden Geiger Dave Arbis, dem Bassisten David Wintor und David Courtney am Piano. Unter der Regie von Adam Faith, einem Topstar der frühen 60er Jahre, entstand ein unglaublich packendes, streckenweise phänomenales Album. Das Album beginnt mit One Man Band, eine herrlich altmodisch klingende Nummer im Stil amerikanischer Straßenmusik der 20er Jahre, aufgepeppt im Sound der 70er Jahre. Interessante Note am Rande ist, daß Mitautor Leo Sayer mit einer Coverversion seiner eigenen Nummer im Frühsommer 1974 seinen zweiten Tophit landete. In One Man Band spielt Roger seine Klasse als Sänger aus und läßt keine Zweifel daran aufkommen, daß er neben Robert Plant von Led Zeppelin der beste und ausdrucksstärkste Rocksänger in der ersten Hälfte der 70er Jahre war. Das gleiche gilt auch im folk-beeinflußten mid-tempo Rocker The Way Of The World. Die Ballade You Are Yourself wäre eigentlich kaum der Rede wert, wäre da nicht einmal mehr Rogers tolle Stimme und das wunderbare Spiel seiner Begleitband nebst Orchester. Thinking ist wunderbar angeschnulzter Akkustikrocker mit C&W Elementen. Die kurze, verträumte Pianoballade ist nur das Vorspiel zu dem, was folgt. Und zwar das orchestrale Its A Hard Life, das sich nach und nach ins bombastische steigert, durchsetzt mit donnerndem Drums. Über allem liegt Rogers majestätische Stimme wie ein kostbarer Teppich. Das Stück zeigt, warum er für The Who einfach unverzichtbar ist. Nahtlos geht Its A Hard Life in Giving It All Away über, eine unglaubliche Ballade mit einer geradezu magischen Atmosphäre. Auch hier demonstriert Roger einmal mehr seine ganze Klasse. Als Single ausgekoppelt kam dieses Ausnahmestück im Mai 1973 völlig zurecht in die englischen Top 10. Das das Stück keine Nummer 1 wurde, spricht für den schlechten Geschmack des englischen Publikums. Giving It All Away ist ein sehr seltenes Glanzstück britischen Softrocks. The Story So Far ist ein ebenso eigenartiger wie faszinierender Popsong, wie ihn Autor Leo Sayer zwischen 1973-1975 massenhaft aus den Ärmel schüttelte. Neben Rogers einzigartiger Interpretation gewinnt das Stück durch David Courtneys Pianoeinlagen und David Arbis Geigenspiel eine besondere Atmosphäre, die durch die Bläsereinlagen der Roy Young Band noch verstärkt wird. When The Music Stops ist eine altmodisch, verträumt wirkende Ballade, die durch Rogers Gesang und Dave Arbis Geigenspiel überzeugt. Über den Softrocker Reasons brauche ich eigentlich nicht viel zu schreiben. Auch hier treffen die Attribute der vergangenen Stücke zu. Ein kurzes Reprise von One Man Band beschließt ein sehr schönes, über weite Strecken überragendes Album. Wer die Stimme von Roger Daltrey mag, der wird sein Debütalbum lieben. Da 6 Sterne die Höchstnote sind, hat es keinen Sinn, für außergewöhnliche Werke mehr Sterne zu fordern. Deshalb bekommt Roger Daltreys Debütalbum 6 Sterne in Gold. |