****** Nachdem David mit The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars den endgültigen Durchbruch beim Publikum geschafft hatte und zum Superstar aufstieg, hätte er eigentlich alles aufnehmen können und es wäre ein todsicherer Hit geworden. Im Gegensatz zu den meisten Stars des Glam-Rocks begnügte er sich nicht damit, dem Publikum immer das gleich zu servieren. Er probierte stets etwas Neues aus. Und genau das ist, was diesen David Bowie so einzigartig und bis auf den heutigen Tag erfolgreich macht. Und hier genau hier zeigt sich das Problem des Glam-Rocks. Eigentlich war diese Welle musikalisch sehr vielfältig und ausbaufähig, doch die Topacts wie etwa T. Rex, Slade & Co. verzettelten sich in endlosen Wiederholungen ihrer Erfolgstitel und sorgten dafür, daß der Glam-Rock spätesten ab 1975 zu den Akten gelegt wurde. Vorhandenes Potential wie etwa bei T. Rex oder auch The Sweet wichen auf Grund der Vorgaben der Produzenten und Plattenfirmen einem kommerziellen Einheitsbrei, der, wie in anderen Bereichen der populären Musik, ab Mitte der 70er Jahre in eine musikalische Sachgasse mündete. Erst mit dem Aufkommen von Punk, New Wave und auch dem Discosound gab es ab Ende der 70er Jahre wieder eine klare Linie. Glam-Rock hin oder her, David Bowie zog sein Ding durch und schwamm erst einmal auf dieser Welle. Nach dem Sci-Fi Ausflug mit The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars begab er sich mit dem Ende 1972/Anfang 1973 von ihm und Ken Scott produzierten Album Aladdin Sane wieder in irdische Gefilde. Das macht schon ein genauerer Blick auf die einzelnen Titel deutlich, die, in Klammern, einzelnen Städten wie London, New York, Los Angeles, Detroit, Seattle und Phoenix gewidmet sind. Auf dem Cover sieht man den Glam-Star Bowie mit rotgefärbtem Haar und geschminkten Gesicht. So zeitnah diese Aufmachung auch sein mag, so wegweisend war sie auch gleichzeitig. Wenn man sich einmal die optische Aufmachung der Musiker der New Romantic Szene der beginnenden 80er Jahre wie etwa Visage, Japan usw. anschaut, dann weiß man, woher ihre Inspirationen kommen (was auch kein Wunder ist, denn die damals knapp über 20 Jahre alten Musiker sind halt mit Leuten wie David Bowie, Marc Bolan und Roxy Music/Bryan Ferry aufgewachsen und letztendlich beeinflußt worden). Wie schon erwähnt, musikalisch begibt sich David Bowie in Aladdin Sane im Gegensatz zum Vorgängerwerk in irdische, sprich teilweise sehr rockige Gefilde. Da macht er gleich im Opener Watch The Man, einen gradlinigen, schörkellosen RockNRoller deutlich. Das musikalisch krasse Gegenstück dazu ist Aladdin Sane (1913-1938-19?) mit seinen leichten Anleihen beim Free-Jazz. Hier beweist David einmal mehr seine musikalische Vielfältigkeit und Unberechenbarkeit. Etwas eigenwillig klingt das herrlich verschrobene Drive-In Saturday, das als zweite Singleauskopplung im Frühjahr 1973 in die englischen Top 10 einzog. Was bei anderen Interpreten und Gruppen aller Wahrscheinlichkeit nach gefloppt wäre, klang bei David Bowie glaubwürdig. Ein gradliniger Rocker mit kleinen Schnörkeln ist Panic In Detroit, einer der heimlichen Klassiker in seinem Gesamtwerk. Glam-Rock pur bieten David Bowie, Mick Roson, Trevor Bolder und Woody Woodmansey in dem treibenden Rocker Cracked Actor. Obgleich das Stück voll auf der Höhe Zeit liegt, klingt es wie ein musikalischer Vorbote von dem, was 1977/78 als New Wave auf den Markt kam. Wie Chanson von Jaques Brèl mit rockigen Einschlag mutet Time an, eines der interessantesten Stücke auf Aladdin Sane. Leichte Einflüsse eines Chansons finden sich auf in The Prettiest Star wieder. Eine der wenigen Coverversionen im Gesamtwerk des David Bowie ist seine Interpretation des Rolling Stones Klassikers Lets Spend The Night Together. Seine schräge Version ist zwar nicht übel, nötig gewesen wäre sie allerdings nicht. Als Singleauskopplung wurde Lets Spend The Night Together im Spätsommer 1973 in den USA ein kleiner Hit. Unter dem Motto Back To The Roots könnte man The Jean Genie bezeichnen, denn der Grundrhythmus dieses Stücks ist ein klassischer Bluesriff Marke Chuck Berry, Bod Diddley und Muddy Waters, unterlegt mit messerscharfen Gitarrenriffs von Mick Ronsons und einer herrlichen Mundharmonika. Als Singleauskopplung verpaßte dieser Kracher Anfang 1973 nur knapp die Spitze der englischen Hitparade. Die musikalischen Parallelen zu dem fast zeitgleich erfolgreichen Block Buster! von The Sweet sind schon frappierend (mit dem kleinen aber feinen Unterschied, daß The Jean Genie zuerst erschienen ist). Mit dem verträumten Abschlußsong Lady Griming Soul setzt David einen musikalischen Kontrapunkt zu The Jean Genie. Das atmosphärisch sehr dichte Lied klingt wie eine Vorabversion von dem, was David in den Jahren 1977/78 veröffentlichte. Mit Aladdin Sane ist David Bowie einmal mehr ein außergewöhnlich gutes Album gelungen, das sich dadurch auszeichnet, weil es sich von den vorhergegangenen Alben deutlich unterscheidet. Bowie Fans muß man die Qualitäten dieses Albums nicht erst groß aufzählen und seine Gegner werden hier jede Menge Gründe finden, um sich in ihrer Ablehnung ihm gegenüber bestätigt zu wissen. Wer Bowie einmal kennenlernen möchte, findet in Aladdin Sane einmal mehr einen guten Einstieg. |