| **** Der Erfolg der Bay City Rollers der 70er Jahre mit seiner unkontrollierten Massenhysterie der Fans ist ein Paradebeispiel für die clevere Vermarktung eines ausgefuchsten Management. Musikalisch fischte die bereits 1967 als The Saxons gegründete Gruppe aus Schottland in eher seichten Popgewässern. Kein Wunder also, daß sich die Jungs nach ihrem ersten Hit Keep On Dancing im Jahre 1971 zunächst sehr schwer taten. Obwohl sie in den nächsten beiden Jahren einige Singles auf den Markt brachten, die nicht viel schlechter als ihr Erstlingshit waren, konnten sie nicht aus der Masse der zahlreichen Popgruppen jener Zeit hervorstechen. Dazu war ihre Musik zu einfach gestrickt, klang ihre Musik wenig originell. Das Blatt wendete sich für die Bay City Rollers 1973, als Tam Paton das Management übernahm und Leslie McKeown der neue Sänger wurde. Ihren Erfolg haben die Bay City Rollers in erster Linie Manager Tam Paton zu verdanken, der erkannt hatte, daß man auf dem Teenie-Markt eine Menge Geld verdienen konnte. Und die Zeichen standen zur Jahreswende 1973/74 nicht schlecht, denn die Teenidole The Osmonds und David Cassidy kamen langsam in ein Alter, wo sie mit ihrer Musik nicht mehr das jüngste Musikpublikum ansprachen. Und genau da setzte Tam Paton an. Er verpaßte den Bay City Rollers ein unverkennbares Outfit (ihre Klamotten mit den Schottenkaros), trimmte sie voll auf Teeniebopper und schickte sie mit simplen Popsongs ins Rennen. Und sein Konzept ging voll auf. Auf so etwas wie die Bay City Rollers schienen die jüngsten Popkonsumenten im Alter zwischen 12 und 15 Jahren nur gewartet zu haben. Am 09.01.1974 traten die Jungs in der BBC-Fernsehshow Lift Off mit ihrer neuen Single Remember (Sha La La) auf und nur 6 Wochen später waren sie in den britischen Top 10. Nun ging alles Schlag auf Schlag, die nachfolgenden Singles Shang-A-Lang, Summerlove Sensation und All Of Me Loves All Of You kamen 1974 allesamt in die britischen Top 10. Das war allerdings nur der Auftakt zu dem, was noch folgen sollte. Als im März 1975 Bye Bye Baby Nummer 1 der englischen Hitparade wurde, brach eine Fanhysterie um die Bay City Rollers aus, wie man sie seit den Zeiten der Beatles nicht mehr erlebt hatte. Wo Leslie McKeown, Alan Longmuir, Eric Faulkner, Stuart Wood und Derek Longmuir auch auftraten und auftauchten, überall schrie sich das überwiegend weibliche Publikum die Seelen aus den Leibern. Und es dauerte nicht lange, als die Rollersmania wie ein Orkan in Europa wütete. Im Sommer 1975 landeten die Jungs mit Give A Little Love ihren zweiten Nummer 1 Hit in England. Nun kannte die Hysterie um die Band aus Schottland keine Grenzen mehr. Diese Hysterie wurde durch die Teenagerpresse kräftig angeheizt, die die Gruppe prompt als die legitimen Nachfolger der Beatles bezeichnete. Jede Woche konnte man in den einschlägigen Popmagazinen etwas über die Gruppe lesen. Egal, ob sie eine neue Platte rausgebracht hatte oder ob einer der Musiker hat einen fahren lassen, alles war einen mehrseitigen Bericht wert. Ob diese Berichte der Wahrheit entsprachen oder ob sie aus dem Reich der Legenden stammten war den Fans völlig egal. Von der Teenagerpresse in Deutschland und England wurde ein wahrer Krieg zwischen den Fans der Sweet und den neuen Teenagerlieblingen Bay City Rollers entfacht. In Leserbriefen warfen die Fans den verhaßten Gruppen jede Menge Gehässigkeiten an die Köpfe. Das gleiche Spiel hatte es schon in den 60er Jahren zwischen den Fans der Beatles und Rolling Stones gegeben. Während die Musiker der Fab-Four und der Stones miteinander befreundet waren und den ganzen Zinnober gelassen und amüsiert verfolgten, ließen sich die Bay City Rollers und die Sweet von dem inszenierten Fankrieg anstecken. Öffentlich bekannten die Musiker beider Gruppen, daß sie sich nicht ausstehen können. Die Bay City Rollers konnten sich das leisten, repräsentierten sie doch die braven Jungs von nebenan, denen jeder Faux Pas verziehen wurde. Die Sweet dagegen sahen beim Teenagerpublikum langsam ihre Felle davonschwimmen, zumal sie aus dem Heer der jüngsten Musikkonsumenten im Gegensatz zu den Bay City Rollers keine neuen Fans für sich rekrutieren konnten. Gegen die braven Jungs der BCR zogen sie bei diesem Fankrieg letztendlich den Kürzeren. Überhaupt repräsentierten die Bay City Rollers eine neue Generation von Teeniebands, bei der es weniger auf das Können als mehr auf das Aussehen und das Alter der Mitglieder, das so zwischen 17 und 20 Jahren lag, ankam. Mit dieser Masche hatten neben den Bay City Rollers Gruppen wie Kenny, Hello oder Slik Erfolge zu verzeichnen. Die Rollersmania befand sich auf dem Höhepunkt, als die britischen Fans den Jungs mit Give a little love ihren zweiten und letzten Nummer 1 Hit bescherten. Um die Bay City Rollers auch den amerikanischen Teenagern schmackhaft zu machen, wurde im Herbst mit Saturday Night eine Single ins Rennen geschickt, die im Jahre 1973 gefloppt war. Diese äußerst simple Nummer erreichte zum Jahresende 1975 Platz 1 der amerikanischen Hitparade. Wo die Gruppe in den Vereinigten Staaten auch auftrat, überall herrschte das gleiche chaotische Bild wie in Europa. Überall in den Staaten kreischten und heulten sich die Mädchen die Seelen aus den Leibern, so, als ob ihr Leben oder ihr Seelenheil davon abhinge. Die Jungs brauchten nur die Münder aufzumachen - und sei es nur zum atmen- und schon fielen die in Verzückung geratenen Mädels in Ohnmacht. Bei ihren Konzerten brauchten die Bay City Rollers riesige Lautsprecheranlagen um sich den Fans bemerkbar zu machen. Das hysterische Gekreische ihrer Fans übertönte meist ihre Musik. Bodyguards verhinderten, daß die hysterischen Mädchen Leslie & Co. nicht in der Luft zerrissen. Um das Interesse der Fans an der Gruppe möglichst lange aufrecht zu erhalten, inszenierte das Management unter der Leitung des cleveren Tam Paton jede Menge Klimbim wie diverse Selbstmordversuche der Musiker wegen des großen Tourneestreßs oder tauschten einfach Musiker aus Altersgründen gegen Jüngere aus (Pat Mc Glynn ersetzte im Frühjahr 1976 Allan Longmuir. Dieser wiederum wurde, weil er dem Tourneestreß und dem Starrummel nicht gewachsen war, im Herbst 1976 durch Ian Mitchell ersetzt. Als Ian dann 1977 wieder ausstieg und seine eigene Gruppe gründete, wurde Allan Longmuir zurück in die Gruppe geholt). Als auch das nicht mehr zog, versuchten Tam & Co. den Bay City Rollers das Image der bösen Jungs zu verpassen. Statt der netten Jungs von nebenan konnte Fans und Gegner Geschichten über Liebesaffären, Groupies, Vaterschaftsklagen usw. lesen. Aber da gab es ja noch die Rolling Stones und die waren auf diesem Gebiet eine Klasse für sich. Bis 1977 ging das Konzept auf, dann wandten sich die Fans, inzwischen älter und reifer geworden, mit Grausen von der Gruppe ab. Sowohl die Bay City Rollers als auch ihre Spin Offs Rosetta Stone (mit Ian Mitchell) und die Pat Mc Glynn Band verschwanden auf Nimmerwiedersehn in der Versenkung. Genervte Zeitgenossen konnten befreit aufatmen. Auch wenn die Bay City Roller nichts weiter als eine Hype waren und ihre Musik relativ simpel gestrickt war, so ist diese doch recht unterhaltsam. Der Sampler Greatest Hits aus dem Jahre 1977 macht das deutlich. Schwerpunktmäßig enthält er die großen Hits der Jahre 1975-1977 (Bye Bye Baby, Give A Little Love, Money Honey, Saturday Night, Love Me Like I Love You, Rock And Roll Love Letter, Yesterdays Hero, Its A Game und You Made Me Believe In Magic), mit Remember (Sha La La) einen ihrer 4 Hits aus dem Jahre 1974 und mit Keep On Dancing eine Neuaufnahme ihres ersten Hits von 1971. Alles in allen ist das natürlich keine Musik für die Ewigkeit, aber ein sehr unterhaltsames musikalisches Zeitdokument aus der Mitte der 70er Jahre. Obendrein ist ihre Musik allemal besser als die der Boygroups der 90er Jahre. Immerhin haben die Jungs der Bay City Rollers im Gegensatz zu den Hampelmännern der Boygroups sich noch die Mühe gemacht, ihre Instrumente selber zu spielen. Und ein Leslie McKeown war nicht viel schlechter als ein Robbie Williams. Da profitiert ein Robbie Williams von der Gnade der späten Geburt. |